Wir stehen täglich mit zahlreichen Studios im Kontakt, betreiben selbst ein Tattoo-Studio und haben zudem kürzlich die Marktdaten verschiedener Studios ausgewertet.
Eines vorweg: Zu allen Punkten, die wir hier berichten, gibt es sicherlich Ausnahmen. Die gab es schon immer und wird es glücklicherweise auch immer geben. Nichtsdestotrotz zeichnen sich klare Trends in fast allen Bereichen der Branche ab, die wir euch hier aufzeigen möchten.
Viele Faktoren, eine Wirkung
Tattoos und Piercing haben sich von einem Subkultur-Statement zu einem Mainstream Mode-Produkt entwickelt. Das hatte seine Vorteile, da der Markt in den Jahren schier explodiert ist. Das hat aber auch seine Nachteile: Während die Branche in der Vergangenheit sehr krisenstabil war („Es geht abwärts? Dann erst recht ein Tattoo/Piercing!“), haben zwei Jahre Rezession nun eine klare Wirkung auf das Konsumverhalten auch in unserer Branche. Das Geld sitzt nicht mehr so locker bzw. reicht schlicht nicht mehr aus für den b/g Sleeve.
Zudem ist nicht nur der Kundenmarkt explodiert, sondern leider auch der Anbieter-Markt. In den letzten 6 Jahren hat sich die Anzahl der Tätowierer und Studios mehr als verdreifacht. Während in der Vergangenheit Flauten durch volle Kalender und Wartezeiten abgefedert werden konnten, spüren die meisten nun jede Schwankung im Markt unmittelbar.
Wir konnten durch alle Studio-Größen einen signifikanten Rückgang der Anfragen und Buchungen in den letzten Monaten beobachten. Im Januar zog es zwar wieder etwas an, konnte aber an das Vorjahresniveau nicht mal ansatzweise anschließen.
Und es gibt einen weiteren bedeutenden Trend im Tattoo-Segment (nicht bei Piercings): Seit etwa zwei Jahren nimmt der Anteil der Kunden zwischen 18-25 an den Tattoo-Anfragen stetig ab (vergleiche Trend-Analyse 1. HJ 2023). Bis vor Corona machte dieses Segment ca. 50% der Tattoo-Termine aus. Selbst in Studios mit Schwerpunkten im Bereich „Fineline“, „Walkin“ und/oder „Günstig“ ist dieses Segment nur noch mit ca. 35% vertreten, in den klassischen Segmenten sogar im Schnitt nur noch mit 25%. Zusätzlich geht der Trend hin zu kleinen Tattoos, so dass ein neues Tattoo-Projekt heute im Schnitt weniger Umsatz bringt, also noch vor 5 Jahren.
Kurz: Immer mehr Tätowierer*innen und Studios müssen sich nun immer weniger Umsatz teilen.
Wettbewerb wird schärfer, aufwendiger und teurer
In einem Gespräch mit einer Tätowiererin hieß es erst kürzlich: „Mit den hoch professionellen Werbe-Videos, die diese Ketten in Massen auf allen Kanälen raushauen, kann ich einfach nicht mehr mithalten.“ Das beschreibt ein weiteres Problem recht treffend. Hinzu kommt, dass viele Tätowierer*innen mittlerweile in das Alter kommen, dass sie einfach nicht mehr cool sind, sondern nun zu der „Eltern-Generation“ gehören und so gesehen werden. Und nicht jede*r möchte das tätowieren, was gerade angesagt ist. Man kämpft also gegen ein Image, die Mode und einen immer schärferen Wettbewerb.
Für alle Hipster in ihren Ateliers, die dies evtl. lesen: Das kommt auf alle zu, ausnahmslos.
Nach 10-20 Jahren eigener Chef und tätowieren/piercen haben nur noch wenige eine echte berufliche Alternative, falls der eigene Laden die Lebenshaltungskosten bzw. Familie nicht mehr trägt. Also werden immer mehr Aktionen, Preisnachlässe, Gutscheine etc. rausgehauen, um von dem kleiner werdenden Kuchen noch so viel abzubekommen, dass es zum Leben reicht.
Ein fataler und gefährlicher Trend. Denn man zieht dadurch eine Zielgruppe an, die grundsätzlich Nachlässen, Aktionen und Gutscheine erwartet.
Allein kaum zu schaffen
Wir hatten im März vergangenen Jahres bereits einen Infoletter mit der Überschrift „Comeback der Tattoo-Studios“ veröffentlicht und auf diesen Trend hingewiesen. Und wir beobachten bereits seit einigen Monaten, dass vor allem die kleinen Studios und Einzelkämpfer Ende 30 oder älter, wenn sie nicht eine glückliche Nische gefunden haben, ihre Studios aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen.
Größere Studios mit vielen Künstlern aus allen Altersgruppen ziehen weiterhin Kundschaft aus allen Altersgruppen an, wovon jeder Artist in dem Studio profitiert (auch die älteren). Und je größer das Studio ist, desto mehr Mittel stehen zur Verfügung, um sich mit professioneller Werbung vom Wettbewerb abzusetzen.
Verwechselt an dieser Stelle bitte nicht den Boten mit der Botschaft. Das alles passiert nicht, weil wir es sagen. Es passiert, weil die Kunden sich so verhalten. Das zeigen die Trends der Vergangenheit in zahllosen anderen Branchen: Tante-Emma-Läden wurden von Einkaufshäusern verdrängt. Diese wiederum von Versandhandel und dieser von Online-Shops. Der Große schluckt den Kleinen.
Und da Tätowierungen und Piercings in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, unterliegt unsere Branche auch denselben Dynamiken.
Der Markt konsolidiert sich
In den nächsten 1-2 Jahren wird sich daher mich hoher Wahrscheinlichkeit der Markt konsolidieren: Größere Studios, Ketten und spezialisierte Nischen werden überleben, von allen anderen werden viele schließen müssen. Oder positiv formuliert: Wer die nächsten zwei Jahre übersteht, hat danach deutlich weniger Wettbewerb.
Um zu überleben, muss man bei geringeren Einnahmen den Kunden mehr bieten: Mehr Service, mehr Erreichbarkeit, mehr coole Reels, mehr Aktionen, … Das geht nur, wenn man:
- sich zusammenschließt (Studios statt Ateliers),
- zusammenarbeitet (Können das alle?!)
- und gleichzeitig Kosten spart (Wie das?).
Die beiden größten Kostenblöcke eines jeden Unternehmens sind: Miete und Personal. An der Miete sparen geht nur sehr bedingt, wenn man in der Wahrnehmung der Kunden auf lange Sicht nicht untergehen will. Daher ist der einzige Ausweg hier: Online-Geschäft und Automatisierung. Auch das eine Lehre aus der Entwicklung vieler anderer Branchen!
Über-Reguliert?
Lassen wir das Thema REACH mal außen vor. Kein wirklicher Segen für die Branche aber sicherlich aktuell auch nicht das Kernproblem. Die oben beschriebene Lage der Tattoo & Piercing – Nation wäre sicherlich eine andere, wenn Gesundheitsämter, Zoll und Finanzämter ihrer Kontrollpflicht im gebotenen Umfang nachkämen.
Ein Beispiel: Wie viele von den Ateliers in Mietswohnungen gäbe es, wenn bei einer Gewerbeanmeldung geprüft wurde, ob ein Tattoo-Gewerbe in diesem Räumen überhaupt zulässig ist? Oder ob der Antragsteller denn auch den Sachkundenachweis Hygiene vorlegen kann?
Bestehende Verordnungen, die niemand prüft. Solange dies (mangels Personals, Budget, Interesse, …) nicht stattfindet, wird immer Wildwuchs stattfinden, der am Ende allen schadet.
Es braucht also nicht neue, andere oder gar weniger Regulierungen, sondern konsequentere Kontrollen. Übrigens etwas, dass in anderen Ländern (Österreich, Schweiz) besser funktioniert.
Durchhalten und zusammenraufen!
Wie gesagt: Wir glauben, es ist Licht am Ende des Tunnels also stellt euch neu auf, seid kreativ, schließt euch zusammen und haltet durch!
Wenn euch interessiert, was heute in Sachen Automatisierung & Service möglich ist und wie es geht, meldet euch einfach bei unserem kostenlosen Webinar ab:
Euer