Ihr glaubt, wir hätten uns bei „Live young, die hard!“ verschrieben? Nicht, wenn man einen genaueren Blick auf die Zukunft der meisten Tätowierer und Piercer wirft. Denn nur die wenigsten, die aller wenigsten schaffen es in dem Beruf bis zur Rente und darüber hinaus. Der Rest bleibt auf der Strecke:
- Das Alter (Eltern-Generation, uncool)
- Trends und Mode
- Technische Weiterentwicklungen
(Spule/Pin, Procreate, Insta, TicToc, KI, Tattoo-Roboter, …) - Gesundheit (Rücken, Nacken, Herz, Augen)
Doch mit 25 ist das natürlich nur Geschwätz von alten Säcken. Die meisten angesagten Hipster in der Branche leben nach dem Motto: „Was geht mich das an? Live hard, die young!“. Naja, aber die alten Säcke waren auch mal 25, haben dasselbe Lied gesungen und sind alle entweder rechtzeitig aufgewacht oder eben hart gelandet – und hatten dann noch immer viele, viele entbehrungsreiche Jahre bis zum Tod: „Live young, die hard!“
Wir hatten bereits vor einigen Jahren eine Interview-Reihe dazu veröffentlicht („Und mit 70 dann der Revolver.“), daher können wir gar nicht genug betonen, wie wichtig dieses Thema ist – für jede(n)!
Denn folgendes wissen wir mit absoluter Sicherheit:
- Wir alle werden älter.
- Alle in der Branche waren bereits und sind in Zukunft von den oben genannten Themen betroffen – mehr oder weniger.
- Der 6er im Lotto ist nichts, auf das man sich verlassen kann.
Die harten Fakten
„Brauche ich überhaupt eine Altersvorsorge? Ich erbe doch mal was…“, „Darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist.“, „Wird schon langen…“
Natürlich wird hier – vor allem von Vertretern für Altersvorsorge-Programmen – viel Panik gemacht. Daher ist es sicherlich klug, sich die simplen, harten Fakten anzuschauen.
Gehen wir mal davon aus, als alleinstehender selbständiger Tätowierer/Piercer braucht man im Monat so etwa 2.500,- € für alles (Miete, Essen, Reisen, Gesundheit, Telefon, Klamotten, u.s.w.). Ja, wir wissen, viel Party ist da nicht drin. Gehen wir weiter davon aus, dass es schon immer eine Inflation gab und geben wird. Dann weiß man, dass die Jeans für 80,- € oder die Schrippen für 1,20 € in 30 Jahren ein bisschen mehr kosten als heute.
Doch wieviel ist ein Bisschen?
Schön, dass die Tabellen-Kalkulation erfunden wurde. Da geben wir mal die harten Fakten ein und bekommen ein vielleicht doch recht erschreckendes Ergebnis ausgespuckt:
Monatsbedarf | 2.500,00 € |
Inflation | 2,5% |
Alter | 25 |
mon. Rentenbedarf | 6.880,48 € |
Bei einer Inflation von nur 2,5% verdoppeln sich die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten nach etwa 27 Jahren. Bei einer Inflation von 3,5 % bereits nach ca. 19 Jahren. Das bedeutet: Bis zur Rente verdreifacht bzw. vervierfachen sich die Lebenshaltungskosten (je nach Inflation) und steigen auch nach Rentenbeginn weiter an!
OK, und wie ist das zu schaffen?
Angesichts dieser Zahlen sind viele geneigt, ihren Kopf in den Sand zu stecken. Das Problem dabei ist: Es ist die perfekte Haltung, damit einem das Leben in den Arsch treten kann. Und genau das wird dann auch passiere – früher oder später. Versprochen!
Dabei geht es auch anders. Man muss nur ehrlich zu sich selbst sein: Von jedem Euro, den du verdienst, ist ein drittel (33 Cent) nicht für dein heutiges Ich, sondern den zukünftiges Ich. Wir finden, das ist fair.
Nehmen wir also wieder das Beispiel von vorhin:
Unser selbständiger Tätowierer/Piercer braucht 2.500,- € monatlich zum Leben. Dann braucht er/sie weitere 1.250,- € pro Monat für die eigene Altersvorsorge. Schließt man die Mehr-Steuern und ggf. Mehr-KV mit ein, brauch so jemand also pro Monat ca.5.000 € Gewinn vor Steuern.
Schafft ihr das nicht, sucht euch um Himmelswillen einen anderen Beruf! Das ist ernst gemeint.
Und jetzt sind wir mal ein bisschen optimistisch und glauben fest daran, dass wir dieses Geld für die Altersvorsorge so gut anlegen, dass es nicht einfach von der Inflation aufgefressen wird. Und natürlich wissen wir auch, dass man mit 25 von so einem Scheiß wirklich nichts hören, sondern Spaß haben will. Also beginnen wir mit der Altersvorsorge erst mit 30. Und das werfen wir wieder in unsere geliebte Tabellenkalkulation:
mon. Rücklage | 1.250,00 € |
eff. Verzinsung | 2,5% |
Alter | 25 |
Beginn (mit 30) | 2030 |
Unser alleinstehender und selbständiger Tätowierer/Piercer muss also, um seinen Lebensstandard im Alter zu halten, 35 Jahre lang 1.250 € monatlich an die Seite legen, mit einer effektiven Verzinsung, die mindestens so hoch ist, wie die Inflation, damit er/sie 82 werden kann, ohne hungern zu müssen.
Und Ja, ihr seht richtig: Bis 65 legt er/sie so insgesamt knapp 1.3 Mio € an die Seite. Und das nur, um im Alter bescheiden leben zu können.
Reichen euch die 2.500,- € heute nicht für euren Lebens-Stil, dann muss zwangsläufig auch eure monatliche Rücklage für die Altersvorsorge steigen. Als Faustregel könnt ihr euch merken:
- 1/3 meines Netto-Einkommens (nach Steuer) lege ich in die Altersvorsorge.
2/3 meines Netto-Einkommens (nach Steuer) stehen mir heute zur Verfügung.
Das mit der Verzinsung der Altersvorsorge ist nicht so einfach.
Wenn ihr euch von irgendjemanden ein Angebot für eine Altersvorsorge machen lasst, fragt bitte immer nach der effektiven Verzinsung, also dem, was nach allen Gebühren, Abschlägen, Provisionen, Courtagen und was es da sonst noch alles gibt, für euch wirklich übrigbleibt. 😉
Eine typische Kapital-Lebensversicherung hat derzeit eine effektive Verzinsung von < 0,5%. Eine Immobilie ist ebenfalls nicht werterhaltend, denn sie benötigt laufende Instandhaltungen (jährliche Rücklagen/Investitionen: ca. 2% des Anschaffungswertes) und hat laufende Kosten (Grundsteuer, Versicherung, …). Festgeld-Anlagen mit 2,5% bieten in der Regel auch nicht langfristig diese Verzinsung. Zudem muss man die Zinsen noch versteuern (Kapitalertragssteuer).
Was also tun?
Mögliche Lösungsansätze
Interessant werden hier eher z.B. ETF-Fonts oder eben doch eine Immobilie, wenn man in der Lage ist, viele Arbeiten daran selbst erledigen zu können. Eine selbst bewohnte Immobilie hat zudem den Vorteil, langfristig finanziert, dass die monatliche Miete nicht weiter steigt (Zinsen sind hier äquivalent zu einer Kaltmiete) und so die monatlichen Raten zur Altersvorsorge beitragen.
Steuervorteile nutzen
Wenn man eine Immobilie teilweise oder komplett vermietet, hat man zudem den Vorteil, dass man (fast) alle laufenden Kosten sowie Zinsen und Gebäudeabschreibung (Afa) von der eigenen Steuer abziehen lassen kann. Zusammen mit der Afa (2% des Immobilienwertes pro Jahr) sind die Abschreibungen so in der Regel höher als die Mieteinnahmen, so dass sich das rechnet.
Viel gepriesene Riester-Renten oder Rentensparpläne, das sei hier noch kurz erwähnt, lohnen sich ausschließlich für deren Anbieter, niemals für euch!
Gesetzliche Rente nicht außer Acht lassen
Ja ja, alle schimpfen darüber. Die Rente hat man schon abgeschrieben, als ich noch zur Schule ging und das ist jetzt bald 40 Jahre her. Daher sollte man zwei Dinge hier beachten:
- Die gesetzliche Rente ist auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung
Und zwar eine der wenigen, die im Schadensfall auch wirklich greift: Es genügt eine Hausärztliche Einschätzung und vielleicht ein wenig Nachdruck von einem Anwalt, den man günstig bei Sozialverbändern wie dem VdK gestellt bekommt. - Die Verzinsung stimmt
In den letzten 10 (turbulenten) Jahren lagen die Rentenanpassungen im Schnitt über der Inflationsquote. Da Politiker der Zielgruppe der Rentner näher sind, als den jungen Wählern, kann man auch in Zukunft davon ausgehen.
Investiere dort, wo du im Alter besser wirst!
Einen Haken gibt es bei unseren schönen Grafiken noch: Wer schafft es denn, als Tätowierer/Piercer tatsächlich noch mit über 60 die volle Leistung zu bringen, damit die Altersvorsorge keinen frühzeitigen Knick bekommt?
Ab einem gewissen Punkt, also wenn man nicht mehr Hip ist, empfiehlt es sich daher, seinen Arbeits-Schwerpunkt auf Themen zu verlagern, in denen man mit zunehmendem Alter besser wird, statt schlechter:
- Beim Tätowieren/Piercen werdet ihr zwangsläufig schlechter.
- Bei Themen wie Organisation, Ausbildung und Beratung kommen euch Alter und Erfahrung entgegen.
Und das in einem Markt mit sehr vielen Artists aber nur wenigen guten Shop-Managern. Schon mal drüber nachgedacht? 😉
Euer